Anne König

König stößt Röring vom CDU-Thron

1000 Christdemokraten stimmten gestern Abend auf einem Bauernhof in Rhede über den Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Borken II ab. Das Ergebnis lag um 22 Uhr vor und ist eine Überraschung.

Rhede/Kreis Borken - Paukenschlag bei der CDU: Die 36-jährige Lehrerin Anne König ist gestern Abend in Rhede zur Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Borken II gewählt worden. Der langjährige Abgeordnete Johannes Röring musste sich geschlagen geben und wird damit nach 16 Jahren dem neuen Bundestag nicht mehr angehören. Das Ergebnis fiel überraschend deutlich aus: Von den 1000 gültigen Stimmen entfielen 69 Prozent auf Anne König und nur 31 Prozent auf Johannes Röring.


Mehr als 200 Mitglieder waren zur Wahlkreisdelegiertenversammlung auf den Bauernhof der Familie Nienhaus nach Rhede gekommen, wo unter dem Dach einer weiträumigen landwirtschaftlichen Halle getagt wurde. Mehr als 200 weitere Mitglieder verfolgten die Versammlung im Livestream. Mit dem Beginn des Wahlgangs reisten weitere Hunderte Mitglieder mit dem Auto an. Die Wagenkolonne staute sich zeitweise Hunderte Meter. Die Versammlung fand unter strengen Corona-Auflagen statt.


Die Borkenerin Anne König aus Borken präsentierte sich an dem Abend als Macherin und als Vertreterin der jungen Generation: Das Westmünsterland sei ein toller Ort für junge Familien. Hier spiegele sich die Vielfalt von Stadt und Land. Als Aufgabe der Politik sieht sie es, „junge Nachwuchskräfte an die Region zu binden“. Aber Anne König warnte auch vor den Grünen: Den hinter Annalena Baerbock stehe immer noch das alte Parteiprogramm von Claudia Roth und Jürgen Trittin. Die zweifache Mutter warb für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihr und ihrem Ehemann sei die Aufgabenteilung zu Hause gelungen, aber dieses Glück hätten nicht alle Familien. Am Ende ihre Rede gab es dann doch noch einen Seitenhieb gegen ihren Konkurrenten Johannes Röring, der in den vergangenen Jahren wegen seiner Nebeneinkünfte in der Kritik stand: „Ich stehe für Mut, Verbindlichkeit und Transparenz“, betonte Anne König.


Der 62-jährige Johannes Röring erinnerte in seiner Bewerbungsrede an die Erfolge seiner Zeit als Abgeordneter und machte eine deutliche Kampfansage an die Grünen: Als er 2005 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, sei das Land nach den Kanzler-Jahren von Gerhard Schröder „abgewirtschaftet“ gewesen. Unter Führung von CDU und Kanzlerin Merkel habe „viel Positives“ erreicht werden können.
In diesem Land habe auch die konventionelle Landwirtschaft ihren Platz, so der Vredener. Das Westmünsterland habe eine der höchsten Landwirte-Dichten in ganz Deutschland. Er werde „jeden Versuch, unsere Art der Landwirtschaft abzuschaffen, massiv bekämpfen“, betonte der Abgeordnete.
Röring sprach sich gegen jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD aus. Das sei nach der Wahl „vollkommen undenkbar“. Gleichzeitig warnte er aber auch vor der drohenden Gefahr einer linken Bundesregierung. Es sei an der Zeit, den „Ideen des linken Zeitgeistes“ entgegen zu treten und „konservatives Denken wieder stärker zu betonen“. Er betonte: „Ich bin nicht bereit, alles infrage zu stellen, was unsere Eltern und Großeltern nach dem Krieg geleistet haben.“ Der Christdemokrat stand in den vergangenen Jahren immer wieder wegen seiner Nebentätigkeiten in der Kritik. Gestern Abend betonte er: „Ich habe mich von fast allen Nebenjobs getrennt. Ich bin klüger geworden.“ Das bekenne er „in aller Demut“.


Zum Bundestagswahlkreis Borken II gehören unter anderem Bocholt, Rhede und Isselburg. Das Direktmandat hat seit Bestehen der Bundesrepublik ausschließlich der CDU-Kandidat gewonnen – in den 1950er-Jahren sogar mit Spitzenergebnissen von bis zu 75 Prozent.


Damit ist auch eine Chance vertan
Ein Kommentar von Stefan Prinz
Der Wechsel von Johannes Röring zu Anne König ist eine handfeste Überraschung und markiert eine Zeitenwende für die CDU im Westmünsterland. Nachdem 16 Jahre lang Röring die Interessen der Region in Berlin vertrat, stößt ihn eine junge Borkenerin vom Politik-Thron. Der Wunsch nach einem personellen Neuanfang war offensichtlich größer als der Dank für Rörings geleistete Arbeit als langjähriger Abgeordneter. In Bocholt dürften viele Christdemokraten traurig sein. Denn mit der 36-jährigen Anne König ist die CDU-Bundestagskandidatur jetzt möglicherweise für Jahrzehnte besetzt. Damit schwindet die Chance, dass die Bocholter in vier Jahren – möglicherweise mit dem früheren Abgeordneten Sven Volmering – einen eigenen Kandidaten ins Spiel bringen können.