Anne König

Zur Kandidatur von Frau Prof. Brosius-Gersdorf

Mein Interview mit der Borkener Zeitung

Die Kandidatur von Frau Prof. Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht wird intensiv diskutiert. Meinen Standpunkt habe ich mit Peter Berger von der Borkener Zeitung besprochen. Hier mein Interview im vollen Wortlaut:

Wie bewerten Sie die Debatte um die geplatzte Wahl dreier Verfassungsrichter im Deutschen Bundestag?

Anne König: Sowohl die Kritik von manchen Medienvertretern an der Kandidatin als auch diejenige an der abgesagten Wahl haben zum Teil jedes Maß verloren. Schon im letzten Jahr musste ein Wahlausschuss abgesagt werden, weil die Grünen sich weigerten, den CDU-Vorschlag Robert Seegmüller ans Verfassungsgericht zu wählen. Verzögerungen bei Richterwahlen gehören zur Demokratie. Das gilt auch für die abgesagte Wahl von Frau Brosius-Gersdorf, für die eben keine 2/3 Mehrheit vorhanden war. Vollkommen unnötig war es hingegen, dass Grüne und Linke verlangten, die beiden anderen Richterwahlen ebenfalls abzusagen.

Halten Sie Frau Prof. Brosius-Gersdorf für eine geeignete Kandidatin? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum?

Anne König: Die Kandidatin Brosius-Gersdorf ist seit langem bekannt, für ihr Plädoyer, dass ungeborene Kind vom Menschenwürdeschutz auszunehmen, mit dem Ziel eines schwächeren Lebensschutzes des Embryos. Eine Logik, die die Menschenwürde vor der Geburt ausschliesst, stellt sie letztlich aber auch für debile oder komatöse Menschen in Frage. Für mich ist es nicht akzeptabel, wenn es somit „würdeloses“ menschliches Leben geben würde. Der Eifer mit dem Frau Brosius-Gersdorf sich öffentlich äußerte bei Fragen der Menschenwürde oder beispielsweise zugunsten eines Kopftuchs bei angehenden Richterinnen, lässt viele Menschen daran zweifeln, ob man sie für zwölf Jahre an unser höchstes Gericht entsenden sollte. Ich würde empfehlen, dass Frau Brosius-Gersdorf die vielen Bedenken ernst nimmt und den Satz des früheren Papstes Johannes Paul II. beherzigt, der zu sich selbst sagte: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig.

Welche (Mit-)Verantwortung tragen die CDU-Fraktion und ihr Vorsitzender Jens Spahn an der geplatzten Wahl? Wie fair war es, unmittelbar vor der Sitzung einen vermeintlichen und inzwischen entkräfteten Plagiatsverdacht gegen Frau Brosius-Gersdorf vorzubringen?

Anne König: Dass die von der Kandidatin selbst beauftragte Anwaltskanzlei noch kein Plagiat sieht, überrascht nicht. Die Frage ist aber in Wahrheit noch offen. Die Zwei-Drittel-Mehrheit war ohnehin im Vorhinein auch schon ohne Plagiatsvorwurf nicht gegeben, deshalb war es klug, die Wahl abzusagen. Und natürlich müssen wir uns als gesamte Unionsfraktion selbstkritisch fragen, warum wir die Wahl von Frau B-G angesichts ihrer unhaltbaren Thesen zur Menschenwürde nicht schon viel früher gestoppt haben. Die Lehre daraus: der Koalitionsfriede ist wichtig, steht aber nicht über allem.

Das Interview hier digital abrufen: